
Inkasso ohne Mahnung des Gläubigers ist rechtlich und tatsächlich möglich und zulässig, wenn die gesetzlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für einen Verzugseintritt korrekt vom Auftraggeber praktisch im Vorfeld umgesetzt wurden sogar mit Kostenerstattungspflicht des Schuldners in Bezug auf die ausgelösten Inkassokosten. Nicht selten sind Schuldner bei Eingang eines Inkassoschreibens anschließend generell überaus überrascht, weil vorher aus einem Vertrag des Schuldners mit einem Gläubiger niemals auch nur eine einzige Mahnung eingetroffen ist.
In diesem Beitrag klären wir – im Rahmen unserer Aufklärungskampagne 2024 – umfassend zu allen das Inkasso betreffenden Theman auf. In diesem Beitrag klären wir dabei über die Voraussetzungen zu Inkasso ohne Mahnung auf und weisen Ihnen nach, wie solch ein Vorgehen rechtmäßig im Rahmen gesetzlicher Regelungen praktisch stattfinden kann.
Inkasso ohne Mahnung
Grundsätzlich gilt gesellschaftlich und medial publiziert, dass eine Forderung erst dann an ein Inkassounternehmen zur entgeltlichen Beitreibung von einem Gläubiger in Auftrag gegeben werden kann, wenn der Schuldner sich in Verzug gesetzt befindet. Das zu glauben ist dumm, unpräzise und gefährlich! Denn dies ist nur ein gesellschaftlicher und fachlich falscher Mythos, der nur auf einer Tatsache praktisch begründet ist: Die Kostenfolge! Inkasso ohne Mahnung ist praktisch nicht nur möglich, sondern in einigen Bereichen sogar üblich!
Nur wenn sich der Schuldner bei Einmeldung an ein Inkassounternehmen bereits in Verzug gesetzt befindet, sind die Inkassokosten für die Inkassodienstleistung bis zur gesetzlichen Grenze des RVG auch als Verzugsschadensersatzanspruch beim Schuldner im Rahmen einer Erstattungspflicht des Schuldners geltend zu machen. Der Verzug des Schuldners tritt dabei in der Regel ein, wenn der Schuldner die geschuldete Leistung nicht, nicht vollständig, nicht wie geschuldet oder nicht rechtzeitig erbringt und die Leistung nach Ablauf der vereinbarten Frist zudem überfällig und durch den Gläubiger der Leistung zudem wirksam in Verzug gesetzt worden ist.
Eine Mahnung des Gläubigers ist dabei jedoch nicht in allen Fällen erforderlich, um den Verzug des Schuldners wirksam herbeizuführen. Nach § 286 Abs. 2 BGB↗ tritt der Verzug auch ohne Mahnung ein, wenn für die Leistung beispielsweise eine bestimmte Zeit nach dem Kalender genannt und vereinbart ist, bzw. wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder wenn besondere Umstände vorliegen, die objektiv eine Mahnung entbehrlich machen oder entbehrlich erscheinen lassen. Daneben und dadurch st jeweils Inkasso ohne Mahnung möglich – je nachdem wie mit der Kostenfolge umgegangen werden soll.
Inkasso ohne Mahnung und ohne Schuldnerverzug
Inkassodienstleistung kann von Gläubigern zu jeder Zeit der Forderungsbeitreibung in Anspruch genommen werden, sogar vor der wirksamen Umsetzung eines Schuldnerverzuges durch den Gläubiger selbst. Der Mythos, dass dies nicht möglich sei ist gesellschaftlich durch Fehlinformation in Medien – meist seitens Inkassogegnern – gestreut worden und fest verankert.
Gläubiger können im Rahmen von Privatautonomie grundsätzlich jeden Anderen – auch Inkassodienstleister – zu jeder Zeit und mit jedem Inhalt als Vertragspartner heranziehen. Der Einzige Umstand, der dann tatsächlich zu beachten ist, ist derjenige, dass Inkassokosten erst seitens des Schuldners als Verzugsschaden für und durch den Gläubiger gegenüber dem Schuldner geltend gemacht werden können, wenn der Schuldner auch wirksam vorher in Schuldnerverzug versetzt worden ist.
Ob diese Verzugsauslösung der Gläubiger selbst oder ein von ihm beauftragter Dritter – vielleicht sogar durch ein Inkassounternehmen – erst noch umsetzen muss, ist dabei privatrechtlich vollkommen offen und in jeder Hinsicht möglich. Glauben Sie daher bitte nicht ungefiltert alles, was Sie online oder in den Massenmedien hören und Lesen, die Wahrheit ist wie meistens deutlich differenzierter!
Inkasso mit Schuldnerverzug aber ohne Mahnung
Begehrt der Gläubiger eine wirtschaftlich optimale Nutzung seiner Rechte im Rahmen der Durchsetzung der eigenen Forderung gegen seine Schuldner, so sollte er ein Inkassounternehmen regelmäßig erst dann mit der entgeltlichen Forderungsbeitreibung beauftragen, wenn sich der Schuldner bereits kraft Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen in Schuldnerverzug befindet.
Es gibt allerdings neben der Notwendigkeit einer verzugsauslösenden Mahnung auch durchaus in der Praxis bei richtiger Gestaltung seitens des Gläubigers Situationen, in denen eine Inkassodienstleistung ohne eine solche vorherige Mahnung durch den Gläubiger bei seinem Schuldner möglich ist und trotzdem bereits Schuldnerverzug vor der Beauftragung des Inkassodienstleisters ausgelöst wurde. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind im Wesentlichen in § 286 Absatz 2 BGB geregelt.
- Zeitbestimmung nach dem Kalender: Wenn für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, tritt der Verzug ohne Mahnung ein. Dies ist z.B. der Fall, wenn in einem Vertrag ein bestimmtes Zahlungsdatum vereinbart wurde.
- Ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung: Wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, tritt ebenfalls der Verzug ein. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Schuldner ausdrücklich erklärt, dass er nicht zahlen wird.
- Besondere Umstände: Auch besondere Umstände können den Verzug herbeiführen. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn der Schuldner insolvent ist.
Gestaltet ein Gläubiger seine internen Prozesse im eigenen Forderungsmanagement und in der eigenen Vertragsgestaltung optimal, können sogar oftmals zahlreiche gesetzliche Tatbestandsmerkmale des § 286 Absatz 2 BGB gleichzeitig erfolgreich zur Begründung von Schuldnerverzug in der Praxis angeführt werden, obewohl zu keiner Zeit eine Mahnung seitens des Gläubigers in Bezug auf die konkret betroffene Forderung notwendig geworden ist. Dadurch wird Inkasso ohne Mahnung und mit Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen zur Kostenerstattungspflicht des Schuldners in Bezug auf die Inkassokosten im Rahmen der auftragsgemäßen entgeltlichen Forderungsbeitreibung begünstigt und erfolgreich in die Wege geleitet.
Exkurs: Wann liegt überhaupt eine Mahnung vor?
Nicht immer liegt Inkasso ohne Mahnung vor, denn manchmal erkennen Schuldner Mahnungen auch praktisch einfach nur nicht als solche. Grundsätzlich gilt zu Mahnungen, dass diese eigentlich – dem gesellschaftlichen Wissen nach – formal bestimmte Inhalte enthalten sollte:
1. Überschrift: Die Überschrift sollte grundsätzlich klar und deutlich “Mahnung” lauten, um den Empfänger sofort auf den Inhalt des Schreibens aufmerksam zu machen.
2. Absender- und Empfängerinformationen: Vollständige Kontaktdaten des Absenders und des Empfängers sollten enthalten sein. Dazu gehören Name, Adresse und ggf. Telefonnummer und E-Mail-Adresse.
3. Datum: Das Datum der Mahnung ist wichtig, da es den Beginn der Verzugsfrist markiert.
4. Rechnungsnummer und -datum: Die Rechnungsnummer und das Datum der ursprünglichen Rechnung sollten angegeben werden, um die Forderung eindeutig zu identifizieren.
5. Fälligkeitsdatum und Verzug: Es sollte klar darauf hingewiesen werden, dass das Fälligkeitsdatum der Rechnung bereits überschritten ist und der Schuldner sich daher im Verzug befindet.
6. Betrag der Forderung: Der genaue Betrag, der geschuldet wird, sollte klar angegeben werden. Wenn Zinsen oder Gebühren anfallen, sollten diese ebenfalls aufgeführt werden.
7. Aufforderung zur Zahlung: Der Empfänger sollte ausdrücklich zur Zahlung aufgefordert werden. Es ist hilfreich, ein spezifisches Datum für die Zahlung anzugeben.
8. Konsequenzen des Verzugs: Die möglichen Konsequenzen eines anhaltenden Verzugs, wie z.B. weitere Gebühren, Zinsen oder rechtliche Schritte, sollten erwähnt werden.
9. Unterschrift: Die Mahnung sollte vom Gläubiger oder seinem Vertreter unterschrieben sein.
Bitte beachten Sie, dass dies nur ein grundlegender und allgemeiner Leitfaden ist und spezifische Anforderungen variieren können. Es ist immer ratsam, einen Rechtsberater zu konsultieren, wenn Sie sich über die Anforderungen an eine wirksame Mahnung unsicher sind.
Hinweis zu Mahnungen:
Enthält eine Mahnung vorstehende Inhalte nicht wie dargestellt oder wirkt die Mahnung nicht wie eine Mahnung, so muss das Schreiben ausgelegt werden. Ergibt sich aus der entsprechenden Auslegung, dass der Gläubiger ernsthaft unter Fristsetzung und unter Androhung von rechtlichen Konsequenzen nach Ablauf der genannten Frist nun seine Forderung seitens des Schuldners erfüllt verlangt, so ist in der Regel von einer wirksamen Mahnung auszugehen.
Es gibt tatsächlich einen Fall in der Praxis der deutschen Rechtsprechung, in dem eine Mahnung sogar in Form eines Gedichts ausgestellt wurde. Dabei hat ein Makler einem seiner Mandanten eine Mahnung in wohlformulierter Reimform geschickt, um Verzugszinsen bei diesem einzufordern. Der Schuldner argumentierte, dass das gereimte Schreiben des Maklers keine Mahnung im rechtlichen Sinne sein könne, da seiner Ansicht nach der dafür notwendige Ernst des Schreibens gefehlt habe.
Das Landgericht Frankfurt am Main entschied den Fall jedoch anders und zu Lasten des Schuldners. In seinem Urteil – LG Frankfurt am Main vom 17.02.1982 unter dem Aktenzeichen 2/22 O 495/81 – stellte es fest, dass es zu einer Mahnung nach ständiger Rechtsprechung weder bestimmter Androhung rechtlicher Schritte noch einer konkreten Fristsetzung bedarf.
Wichtig wäre dabei nur, dass der Gläubiger dem Schuldner ausdrücklich – oder wie hier sogar gereimt – sagt, dass das Ausbleiben der Leistung für den Schuldner Folgen haben wird. Trotz der vordergründigen Heiterkeit des gereimten Mahnschreibens fehlte diesem objektiv nicht die rechtlich notwendige Ernstlichkeit für das Erkennen einer Mahnung. Daher konnte der Makler und Kläger des Verfahrens vor dem Landgericht Frankfurt am Main die Verzugszinsen wirksam verlangen, die mit dem Zugang des Briefs beim Schuldner zu laufen begannen.
Dieser praktische Fall zeigt, dass es einerseits möglich ist, eine Mahnung in Form eines Gedichts zu verfassen, solange der Inhalt den Anforderungen einer Mahnung entspricht und andererseits auch, dass Schuldner eine Mahnung nicht immer ernst genug nehmen oder überhaupt als Mahnung erkennen.
Fazit
Inkasso ohne Mahnung ist praktisch durchaus möglich, allerdings wirtschaftlich nur unter Einhaltung bestimmter gesetzlicher Voraussetzungen für Gläubiger auch tatsächlich sinnvoll, sofern es wirtschaftlich auch seitens des Gläubigers gewollt ist, dass die Inkassokosten als Verzugsschaden durch den Schuldner im Rahmen einer Erstattungspflicht getragen werden müssen. Man will ja nicht „gutes Geld, schlechtem hinterherwerfen„, oder?
Es ist generell wichtig, dass sowohl Gläubiger, als auch Schuldner ihre jeweils dahingehenden Rechte und Pflichten, sowie die jeweiligen Voraussetzungen dahingehend kennen und wissen, wann sie (als Gläubiger) ein Inkassounternehmen mit Erstattungspflicht hinsichtlich der Inkassokosten beauftragen können, bzw. wann Sie (als Schuldner) eine Erstattungspflicht hinsichtlich der Inkassokosten treffen kann.
Schuldner sollten überdies auch praktisch nicht zu schnell von Inkasso ohne Mahnung ausgehen, denn oftmals erkennen sie schlichtweg Mahnungen praktisch nicht als solche und gehen deshalb fehlerhaft und vorschnell von Inkasso ohne Mahnung aus.